Traumaarbeit mit Pferden
oder
die Zügel wieder selbst in die Hand nehmen!

Nach traumatischen Ereignissen entwickeln Betroffene oft die scheinbar sonderbarsten Strategien, um mit dem Erlebten fertig zu werden. Manche von diesen Strategien helfen, andere können zu einer zusätzlichen Belastung werden. Viele leiden unter Alpträumen oder anderen Schlafstörungen. Wiederkehrende Erinnerungsbilder können den Alltag ebenso einschränken wie das Vermeiden bestimmter Orte, Gefühle oder Aktivitäten. Es entsteht eine Spirale von Nicht-Vergessen-Können, Schlaf- und Ruhelosigkeit, Hilflosigkeit und Ohnmacht.

Pferde sind von Natur aus im Hier und Jetzt  verankert. Durch ihr freundliches, wertfreies Wesen, ihre Bodenständigkeit und nicht zuletzt durch ihr weiches Fell laden sie dazu ein, näher zu kommen und mit ihnen den Moment als solchen zu genießen.
Pferde verfügen über ein differenziertes Sozialverhalten. Die begleitete Kontaktaufnahme zum (frei laufenden) Pferd bietet ein unbelastetes und geschütztes Übungsfeld, in dem mit Nähe und Distanz experimentiert sowie neue Beziehungen eingegangen werden können. So kann die pferdegestützte Therapie helfen, nicht nur soziale Ängste zu überwinden, sondern auch wieder einen Zugang zu den eigenen Beziehungsfähigkeiten zu finden.
Beim Umgang mit dem Pferd werden andere, vor allem körperliche Erfahrungen gemacht. Das Getragen werden auf dem starken Pferderücken vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit. Die gleichmäßige Bewegung kann dazu beitragen das innere Chaos neu zu sortieren.

Dank ihres sozialen Wesens sind Pferde stets an einer Interaktion interessiert. Als "Energiesparer" schließen sie sich jedoch lieber an, als selbst die Führung zu übernehmen. Allerdings folgen sie nur dem, der selbstbewusst für sich sorgen kann und somit eventuell auch Schutz für sie bietet. Wer möchte, dass das Pferd sich freiwillig anschließt, kooperiert und mitarbeitet, sollte daher lernen die Führungsposition zu übernehmen. Bei diesem Prozess lernt man sich selbst und die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, für sich zu sorgen, „nein“ zu sagen und seine eigenen Grenzen anderen gegenüber zu verteidigen. Wenn Sie so gestärkt und achtsam dem Pferd begegnen, werden Sie von ihm ernst genommen. Das Pferd wird sich Ihnen gern anschließen und Sie somit animieren die Zügel ihres Lebens wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Pferde leben stets im Augenblick und reagieren unmittelbar auf ihr Gegenüber. Das heißt sie spiegeln dessen Verhalten und somit dessen Gefühle ohne dabei über richtig oder falsch zu urteilen. Dadurch kann die pferdegestützte Therapie gerade Menschen mit traumatischen Erfahrungen helfen, insbesondere wenn diese massive Grenzüberschreitungen und physische Verletzungen beinhalten, wieder einen Zugang zu sich selbst und ihren Gefühlen zu bekommen. Im geschützten Rahmen der Therapie können sie lernen Gefühle dosiert zuzulassen, Strategien entwickeln mit diesen umzugehen und das Pferd als nicht wertenden Begleiter zur Neuorientierung in einer Gemeinschaft zu nutzen.

Bei der pferdegestützten Begleitung von Menschen mit traumatischen Erfahrungen geht es (mir) NICHT darum, das Trauma wieder hervorzuholen oder in irgend einer Weise zu bearbeiten; SONDERN denjenigen zu helfen, sich im Hier und Jetzt zu verankern und auf die eigenen Ressourcen zu besinnen. So kann ein Weg gefunden werden, mit den (teilweise über Jahre spürbaren ) Auswirkungen dieser Erfahrungen selbstbestimmt umzugehen. Dabei habe ich die Pferde bisher immer als sensible, einfühlsame und motivierende Co-Therapeuten erlebt.